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Wolfgang-Andreas Schultz

Das dritte Schöpfungswort - Motette für gemischten Chor a cappella (2015)

Im Programmheft zur Uraufführung im Jahr 2015 schrieb Andreas Bode:

Der Komponist lässt drei Texte zum gleichen Thema "Schöpfung" musikalisch raffiniert ineinanderwirken. Der monolithische Beginn des 1. Buches Mose im Alten Testament wird begleitet von Rilkes bangendem Gedicht "Dein allererstes Wort war: Licht" (...). Schultz lässt Gottes Worte im Bewusstsein der Richtigkeit seines Tun erklingen, während Rilkes Zeilen als ängstlicher Kommentar diese Selbstsicherheit Gottes infrage stellen – Gott möge, modern formuliert, nach der Schaffung des Menschen keine weiteren derartig heiklen Experimente unternehmen. Allmählich lässt Schultz die Verse des persischen Dichters Rumi "Sieh! Ich starb als Stein und ging als Pflanze auf" einfließen, die mit ihrem Lebensoptimismus Rilkes Ängstlichkeit verdrängen.

Die Texte

Altes Testament, 1. Buch Mose, 1. Kapitel:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster in der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei. Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Rainer Maria Rilke: aus "Das Stundenbuch", erstes Buch:

Dein allererstes Wort war: Licht:
da ward die Zeit. Dann schwiegst du lange.
Dein zweites Wort ward Mensch und bange
(wir dunkeln noch in seinem Klange)
und wieder sinnt dein Angesicht.

Ich aber will dein drittes nicht.

Ich bete nachts oft: sei der Stumme,
der wachsend in Gebärde bleibt
und den der Geist im Traume treibt,
daß er des Schweigens schwere Summe
in Stirnen und Gebirge schreibt.

Sei du die Zuflucht vor dem Zorne,
der das Unsagbare verstieß.
Es wurde Nacht im Paradies:
sei du der Hüter mit dem Horne,
und man erzählt nur, daß er blies.

Dschelaladdin Rumi: aus dem „Mathnawi“, deutsch von Friedrich Rückert:

Sieh! Ich starb als Stein und ging als Pflanze auf,
starb als Pflanz' und nahm drauf als Tier den Lauf;
starb als Tier und ward ein Mensch. Was fürcht ich dann,
da durch Sterben ich nie minder werden kann!

Wieder, wann ich werd' als Mensch gestorben sein,
wird ein Engelsfittich mir erworben sein,
und als Engel muß ich sein geopfert auch,
werden, was ich nicht begreif, ein Gotteshauch.

(Aus musikalischen Gründen ist dieser Text geringfügig verändert)