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Wolfgang-Andreas Schultz

Drei Dialog-Szenen

1. Gebirgslandschaft mit klagender Galatea

Der römische Dichter Ovid (Publius Ovidus Naso, 43 v. Chr. – bis 17 n. Chr.) erzählt in seinen „Metamorphosen“ die Geschichte des Liebespaares Acis und Galatea, dessen Glück bedroht ist, denn der einäugige struppige Cyclop Polyphem ist ebenfalls in die schöne Galatea verliebt. In rasender Eifersucht erschlägt er mit einem Felsbrocken seinen Rivalen Acis, dessen Blut in eine Quelle verwandelt wird, die einem Felsen entspringt und in der der klagenden Galatea das Bild ihres Geliebten erscheint.

Die Viola übernimmt die Stimme der Galatea, während das Klavier die Landschaft zeichnet mit der Quelle, in deren Klängen das Thema des Acis hörbar wird.

2. Sawitri und Yama

In dem indischen Epos „Mahabharata“ wird die Geschichte der Prinzessin Sawitri erzählt, die den innig geliebten Satiawan heiratet, wohl wissend, dass ihm ein früher Tod geweissagt wurde.

Als Satiawan stirbt, beschwört Sawitri den furchterregenden Totengott Yama und bittet ihn, Satiawan ins Leben zurückkehren zu lassen. Schließlich gibt Yama nach – und Sawitri ist erneut mit Satiawan vereint.

Die Viola übernimmt die Stimme der Sawitri und das Klavier die des Totengottes.

3. Isolde Weißhand bei Tristan dem Träumer

Der Roman „Tristan“ von Gottfried von Straßburg erzählt am Ende von der Begegnung Tristans mit einer zweiten Isolde, der „weißhändigen Isolde“.

In einem Garten finden wir diese zweite Isolde und Tristan in seinem Schmerz um seine (erste, die blonde) Isolde, die - mit König Marke verheiratet – für ihn unerreichbar ist und die er dennoch liebt. „Tristan liebte den Schmerz und war ihm innig zugetan (..), weil ihm die Trauer um die blonde Isolde sehr viel angenehmer war als alle andere Freude.“

Trotzdem kommen Tristan und die weißhändige Isolde sich näher, ja, sie verlieben sich ineinander. Aber „es bekümmerte ihn schwer und erschreckte ihn zutiefst, dass er außer Isolde noch eine Frau liebte und überhaupt auf diesen Gedanken gekommen war.“ Denn die erste Isolde ist unvergessen und drängt sich immer wieder ins Bewusstsein. Tristan „strebte nach einer fernen Liebe und litt durch sie großen Kummer, die er weder hörte noch sah, und enthielt sich der nahen Liebe, die er häufig sah. Er begehrte die ganze Zeit die strahlende, blonde Isolde von Irland und floh vor dem stolzen Mädchen (…) mit den weißen Händen. Er quälte sich wegen jener und zog sich von dieser zurück.“

So kommt es zur Zurückweisung der Frau, die ihn liebte und mit der er hätte leben können, zugunsten der hoffnungslosen Liebe zur ersten Isolde.

Die Klänge des Gartens werden von beiden Instrumenten gestaltet, dann aber kommt es zur Rollenverteilung:
   Isolde Weißhand – Viola
   Tristan – Klavier

Die erste Isolde ist im Klavier durch den Fis-dur-Bereich repräsentiert.

Die Stellen aus dem Roman von Gottfried von Straßburg sind in der Übersetzung von Zenja von Ertzdorff, Doris Scholz und Carola Voelkel zitiert.